Entsprechend den
Möglichkeiten moderner Kommunikation stellt sich mitunter die Frage, inwiefern im Auftrag eines Gerichtes oder einer Staatsanwaltschaft
schriftlich erstattete Gutachten dem Auftraggeber
mittels E-Mail zugesendet werden können. Dazu ist folgendes zu sagen:
Die
Verfahrensgesetze sehen vor, dass Sachverständige ihr
Gutachten mündlich oder schriftlich zu erstatten haben (siehe etwa § 252 Abs 1 Strafprozessordnung – StPO, § 357 Abs 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
„Schriftlichkeit“ wird im Rechtsleben mangels anderer gesetzlicher Anordnung grundsätzlich als
„Unterschriftlichkeit“ verstanden, sodass der Text einer Urkunde auch noch der
Unterschrift der sie ausstellenden Person bedarf (siehe grundlegend § 886 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch – ABGB). Dem entsprechend ist auch für Handlungen in einem
Gerichtsverfahren außerhalb einer mündlichen Verhandlung die so verstandene
Schriftform vorgesehen (siehe etwa § 74 ZPO).
Ein
schriftliches Sachverständigengutachten muss daher bei Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft von der oder dem Sachverständigen
eigenhändig unterschrieben auf Papier eingebracht werden. Der oder die Sachverständige hat außerdem das
Rundsiegel beizufügen (§ 8 Abs 5 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz – SDG). Die
Übermittlung geschieht dann
im Weg der Post oder durch
unmittelbare Überreichung in der
Einlaufstelle des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft.
Eine
weitere Übermittlungsart sieht § 89a Abs 1 Gerichtsorganisationsgesetz – GOG vor. Danach können Eingaben unter näher geregelten Voraussetzungen statt mittels eines Schriftstücks
elektronisch angebracht werden. Dies ist nur im Rahmen des so genannten
„Elektronischen Rechtsverkehrs (ERV)“ möglich. Dabei handelt es sich um eine
strukturierte Form der Kommunikation im elektronischen Weg zwischen den Gerichten und den teilnehmenden Personen. Ausführungsbestimmungen dazu enthält die Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2006). Zusammengefasst erfordert die Teilnahme an diesem elektronischen Rechtsverkehr den
Anschluss an eine Übermittlungsstelle oder den
direkten Verkehr mit dem Bundesrechenzentrum, wodurch in technischer Sicht gewährleistet wird, dass die vorgeschriebenen Strukturen eingehalten werden.
Eingaben sind dabei sowohl als
Text als auch als
PDF-Anhang zulässig. Für
Rechtsanwälte, Notare und andere in § 89c Abs 5 GOG aufgezählte Stellen ist diese Form der Kommunikation
verpflichtend. Anderen Personen – auch Sachverständigen – steht sie ebenfalls offen. Für
elektronische Gutachten ist anstelle des Siegelabdrucks die Verwendung eines
geeigneten Zertifikats ausreichend (§ 8 Abs 5 SDG).
Für einen kleinen Teilbereich der Sachverständigentätigkeit, nämlich die
Liegenschaftsbewertung im Zwangsversteigerungsverfahren, ist eine eigene Form der elektronischen Kommunikation bereits jetzt
verpflichtend vorgesehen: Nach § 141 Abs 4 Exekutionsordnung (EO) hat der Sachverständige dem Gericht das
Gutachten sowie eine
Kurzfassung hiervon
auch in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Technisch wird dies über einen
Einstieg auf einer
eigenen Sachverständigenseite im Internet (www.sv.justiz.gv.at) unter
Verwendung eines Zertifikats abgewickelt. Die Sachverständigen sehen danach die ihnen zugeordneten Verfahren und können ihre
Daten hochladen.
Eine Weiterentwicklung dieser Kommunikationsform, die allen Sachverständigen offensteht, ist das
Dokumenteneinbringungsservice (DES).
Damit sind die
gesetzlich vorgesehenen Kommunikationsformen zur Übermittlung von Gutachten abschließend aufgezählt.
Schon die
Einbringung mittels Telefax ist ungeachtet der dabei stattfindenden elektronischen Kommunikation
keine zulässige Form des Elektronischen Rechtsverkehrs (§ 5 Abs 1a ERV 2006). Sie kann aber dennoch in
Einzelfällen beitragen, die
Frist für die Erstattung des Gutachtens
zu wahren: Nach § 89 Abs 3 Gerichtsorganisationsgesetz – GOG können schriftliche Eingaben an das Gericht auch
im telegraphischen Wege erfolgen. Eingaben mittels
Telefax werden in analoger Anwendung des § 89 Abs 3 GOG vom Obersten Gerichtshof (OGH) als
zulässig und Fristen wahrend angesehen, wenn sie durch
Beibringung einer gleichlautenden und mit eigenhändiger Unterschrift des Einschreiters versehenen Ablichtung verbessert werden. Andernfalls wäre ein
Verbesserungsverfahren einzuleiten, weil die auf dem Telefax aufscheinende
fernkopierte Unterschrift dem
§ 75 Z 3 ZPO nicht entspricht. (OGH 5 Ob 288/01s mit weiteren Nachweisen).
Besonderes gilt allerdings im
Strafverfahren: Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, können Rechtsmittel, Rechtsbehelfe und alle sonstigen
Eingaben an die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht auch per Telefax eingebracht werden (§ 84 Abs 2 Strafprozessordnung – StPO).
Will man als
Sachverständiger eine
erteilte Frist einhalten, steht aber die Post etwa wegen später Stunde oder mangels Erreichbarkeit nicht zur Verfügung, so kann man das
unterfertigte und gesiegelte Gutachten dem Gericht (der Staatsanwaltschaft) auch
faxen und bei nächster Gelegenheit
mit der Post nachsenden. Für die
Rechtzeitigkeit ist dann nicht so wie sonst das
Datum der Postaufgabe (§ 89 Abs 1 GOG), sondern jenes des
Einlangens des Fax bei Gericht (bei der Staatsanwaltschaft) entscheidend, wobei es insbesondere
nicht auf die Amtsstunden ankommt. Wer allerdings ein Telefax übermittelt, trägt immer das
Risiko, dass es bei Gericht (bei der Staatsanwaltschaft)
nicht einlangt. In einem solchen Fall hat er stets das
Risiko eines technischen Gebrechens, eines
Eingabefehlers oder der Tatsache, dass das
Empfangsgerät gerade belegt ist,
zu tragen (OGH 7 Ob 94/04f; 2 Ob 282/08x).
Die
Übermittlung eines Gutachtens mittels E-Mail ist nach der klaren Anordnung des § 5 Abs 1a ERV 2006 ebenfalls
keine zulässige Form des elektronischen Rechtsverkehrs. Zum Unterschied von einem Telefax, das wegen der oben dargestellten analogen Anwendung der Bestimmung des § 89 Abs 3 GOG sogar unter Umständen die Rechtzeitigkeit wahrt, verbietet sich diese Analogie bei einem E-Mail, weil im Gegensatz zu einem
Telefax, das eine
technisch zuverlässige Sende- und Empfangsprotokollierung kennt, zumindest bei einem „schlichten“, nicht signierten E-Mail weder die
Authentizität noch die
Verlässlichkeit des Inhalts gewährleistet ist. Dem entsprechend hat auch das Oberlandesgericht (OLG) Linz jüngst ausgesprochen, dass eine mit einem
E-Mail erhobene Beschwerde im Strafverfahren als
unzulässig zurückzuweisen ist (9 Bs 49/08g).
All dies gilt allerdings nur für
verfahrensrelevante Eingaben, also für Einbringungsvorgänge, die die
Erfüllung prozessualer Voraussetzungen gewährleisten wie etwa die
rechtzeitige Ablieferung eines Gutachtens. Abseits dieses Bereiches gibt es aber natürlich auch einen
formlosen Verkehr der Beteiligten mit dem Gericht: So sind etwa
telefonische Anfragen über den Verfahrensstand oder zwecks Klarstellung von Zweifelsfragen grundsätzlich
zu berücksichtigen und einfachheitshalber
auf demselben Weg zu beantworten (siehe etwa § 55 Abs 1 und 4 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz – Geo). Generell kann überdies alle
Kommunikation, die
auch telefonisch erfolgen kann, ebenso
mittels E-Mail abgewickelt werden, wobei der
Vorteil des E-Mails in dessen
Dokumentationsfunktion besteht, sodass nicht wie bei einem wichtigen Telefonat ein
eigener Aktenvermerk angelegt werden muss.
Die zitierten
gesetzlichen Bestimmungen und der
Text der erwähnten
Gerichtsentscheidungen ist über das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) unter
http://www.ris.bka.gv.at abrufbar.